10.1 Informationen lesen und verstehen

10.1 Informationen lesen und verstehen

10.1.1 Der Regenwald

Was ist ein Regenwald?

Betrachtet man die tropischen Regenwaldgebiete von oben, erscheinen sie einem als ungeheuer groß. Die ausgedehnten Wälder gehen mit gewaltigen Flusssystemen einher, wie z. B. dem Amazonas in Südamerika oder dem Kongo in Afrika. Auch der Nil, überwiegend als ein Fluss in der Wüste Ägyptens bekannt, hat seine Quelle im tropischen Regenwald dieses Kontinents. Die tropischen Regenwälder sind nicht nur ein wichtiger Teil des Weltklimasystems, sondern weisen weltweit die höchste Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren auf.

Der Regenwald hat seinen Namen nicht von ungefähr. Die Niederschlagsmengen sind dort um ein Vielfaches höher als in unseren Breiten. So fallen in der Stadt Manaus, am Amazonas gelegen, im Jahr 2.272 mm Niederschlag und im afrikanischen Brazzaville immerhin 1.404 mm. In Berlin regnet es dagegen nur 578 mm im Jahr. Die ergiebigen Regenfälle kommen fast täglich und sind häufig mit kräftigen Gewittern verbunden. Für die Entstehung eines Regenwaldes gehört neben den hohen Niederschlägen eine ganzjährig gleichbleibend hohe Temperatur zwischen 23° C und 27° C. Die Luft ist also warm und feucht, häufig auch nebelig und es verdunstet weniger Wasser als durch Regen anfällt.

10.1.2 Regenwald-Gebiete

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt uns, dass sich die Regenwaldgebiete entlang des Äquators zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis befinden. Da dieser Raum allgemein als die Tropen bezeichnet wird, spricht man auch von den tropischen Regenwäldern. Das größte zusammenhängende Waldgebiet liegt im Amazonasbecken Südamerikas, gefolgt vom Kongobecken in Zentralafrika und Regenwaldgebieten der südostasiatischen Inselwelt.

Aus der Entfernung sieht der Regenwald gleichförmig grün aus wie jeder andere Wald. Die Bäume scheinen sich nur in ihrer Größe zu unterscheiden. Doch vor Ort stellt man Erstaunliches fest: Fast jeder zweite Baum gehört einer anderen Art an. Auf einer Fläche von einem Hektar wurden im peruanischen Regenwald insgesamt 600 Bäume gezählt, unter denen sich 283 verschiedene Arten befanden. In Nordwest-Europa kennen wir 40 verschiedene Baumarten. In den Regenwäldern schätzt man die Zahl auf ca. 50.000. Diese Zahl ist nicht nachweisbar, denn sie beinhaltet auch Baumarten, die noch nicht entdeckt wurden.

10.1.3 Artenvielfalt im Regenwald

Was über die Artenvielfalt der Bäume gesagt wurde, gilt für alle Pflanzen und Tiere der Regenwälder: sie ist hier am höchsten. Auf den 7% der Landfläche, die von Regenwäldern bedeckt sind, leben 50-70% der heute bekannten Pflanzen- und Tierarten. Den größten Anteil haben mit über 50% weltweit die Insekten. Über die Artenvielfalt der anderen Gliedertiere, wie z. B. der Spinnen oder Hundertfüßer, lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die Wirbeltiere – gemeint sind Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger – haben weltweit nur einen Anteil von ca. 3%. Regenwälder sind Zentren der Artenvielfalt – auch „Hotspots“ genannt.

Warum die Evolution ihre Kreativität gerade hier entwickelt hat, dafür haben Biologen verschiedene Erklärungen. Der Mangel an Nährstoffen könnte ein Grund dafür sein, so erklärt es Josef Reichholf, Professor an der TU München, in seinem Buch „Der tropische Regenwald“. So findet sich beispielsweise bei uns die größte Artenvielfalt an Blumen auf den nährstoffarmen Böden des Magerrasens. Bestimmt spielt aber auch die Tatsache, dass es im Äquatorbereich – im Gegensatz zur gemäßigten und polaren Zone – seit Jahrmillionen ein relativ gleichbleibendes feucht-warmes Klima gibt, eine entscheidende Rolle. Mutation und Selektion konnten sich ungestört seit 60 Mio. Jahren entfalten.