Erzählweise
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Mark Twain: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten – Auszug aus Kapitel 2/3
Da ihr gewiss schon die Abenteuer von Tom Sawyer gelesen habt, so brauche ich mich euch nicht vorzustellen. Jenes Buch hat ein gewisser Mark Twain geschrieben und was drinsteht ist wahr – wenigstens meistenteils. Hie und da hat er etwas dazu gedichtet, aber das tut nichts. Ich kenne niemand, der nicht gelegentlich einmal ein bisschen lügen täte, ausgenommen etwa Tante Polly oder die Witwe Douglas oder Mary. Toms Tante Polly und seine Schwester Mary und die Witwe Douglas kommen alle in dem Buche vom Tom Sawyer vor, das wie gesagt, mit wenigen Ausnahmen eine wahre Geschichte ist.
Am Ende der Geschichte nimmt mich die Witwe Douglas als Sohn an und will versuchen, mich zu „sievilisieren“ wie sie sagt. Das schmeckt mir aber schlecht, kann ich euch sagen, das Leben wird mir furchtbar sauer in dem Hause mit der abscheulichen Regelmäßigkeit, wo immer um dieselbe Zeit gegessen und geschlafen werden soll, einen Tag wie den andern.
Einmal bin ich auch schon durchgebrannt, bin in meine alten Lumpen gekrochen, und – hast du nicht gesehen, war ich draußen im Wald und in der Freiheit. Tom Sawyer aber, mein alter Freund Tom, spürte mich wieder auf, versprach, er wolle eine Räuberbande gründen und ich solle Mitglied werden, wenn ich noch einmal zu der Witwe zurückkehre und mich weiter „sievilisieren“ lasse. Da tat ich's denn.
Nun langweilte ich mich aber schrecklich und wurde ganz unruhig. Alsbald begann Miss Watson: „Halt doch die Füße ruhig, Huckleberry", oder „willst du keinen solchen Buckel machen, Huckleberry, sitz doch gerade!" und dann wieder "so recke dich doch nicht so, Huckleberry, und gähne nicht, als wolltest du die Welt verschlingen, wirst du denn nie Manieren lernen?" und so schalt sie weiter, bis ich ganz wild wurde.
Abends wurde gebetet, und jedermann ging zu Bett. Ich auch.
Ich stieg mit meinem Stummel Kerze in mein Zimmer hinauf und stellte das Licht auf den Tisch. Dann setzte ich mich auf einen Stuhl vors Fenster und probierte, an etwas Lustiges zu denken. Das nützte aber wenig.
Mir wurde heiß und kalt, und ich hätte alles drum gegeben, wenn jemand bei mir gewesen wäre. Plötzlich höre ich etwas unten im Garten unter den Bäumen, ein Rascheln und Knacken, ich halte den Atem an und lausche. Wieder hör' ich's, und dabei, leise wie ein Hauch, das schwächste 'Miau' einer Katze. „Miau, miau", tönt's kläglich und langgezogen. Und „miau, miau" antworte ich ebenso kläglich, ebenso leise, lösche das Licht aus und steige durch das Fenster auf das Schuppendach. Dann lasse ich mich zu Boden gleiten, krieche auf allen vieren nach den Schatten der Bäume, und da war richtig und leibhaftig Tom Sawyer, mein alter Tom, und wartete auf mich.
Tom gab mir jetzt ein Zeichen, er schnalzte leise mit den Lippen, und wir krochen auf allen vieren davon.
Als Tom und ich oben auf dem Hügel ankamen, konnten wir gerade ins Dorf hinuntersehen, und da blinkten noch drei oder vier Lichter, wahrscheinlich bei Kranken. Über uns blitzten die Sterne, und drunten zog der Mississippi dahin, so breit und ohne Laut, es war großartig. Wir rannten dann auf der andern Seite den Hügel hinunter und fanden Joe Harper und Ben Rogers und noch ein paar Jungens, die auf uns warteten. Ein Boot wurde losgemacht, und wir ruderten den Fluss hinunter, bis dahin, wo der große Einschnitt im Ufer ist. Dort legten wir an.
Wir kletterten auf ein dichtes Buschwerk zu, und nun ließ Tom uns alle schwören, das Geheimnis nicht zu verraten, und zeigte uns ein Loch im Hügel. Wir steckten die Lichter an und krochen auf Händen und Knien hinein. So ging es ungefähr zweihundert Meter in einem engen Gange fort, bis sich die Höhle auftat. Tom tastete an den Wänden der Höhle umher und verschwand auf einmal unter einem Felsen, wo niemand eine Öffnung vermutet hatte. Wir folgten ihm durch einen schmalen Gang, bis wir in einen Raum gelangten, ungefähr wie ein Zimmer, nur etwas kalt, feucht und dumpfig, und da blieben wir dann. Tom hielt nun eine feierliche Ansprache und sagte: „Hier wollen wir also eine Räuberbande gründen und sie Tom Sawyers Bande nennen. Jedermann, der beitreten will, muss einen Eid schwören und seinen Namen mit Blut unterschreiben!"
1. Lies den Text und überlege, wie der Eid, den die Jungen schwören sollen, wohl lauten mag! Formuliere ein Beispiel!
2. Bestimme die Erzählform, in welcher der Text geschrieben ist.
Informationen dazu findest du auf Seite 113.
3. Lies den Text und markiere die Textstellen, die du spannend und die, die du lustig findest! Nehme zwei Farben!
4. Erzähle den Text aus der Sicht von Tom Sawyer!




